Seelenkaleidoskop

Nomen est omen
Jeder Welpe bekommt bei uns einen Namen. Der eine früher, der andere später. Aber jeder Welpe bekommt den Namen, der zu ihm passt. Dabei folge ich keiner Alphabet-Regel oder Ähnliches, sondern nur dem Gefühl der Resonanz. Indie hat den Namen Indie bekommen, weil er ein unabhängiger Eroberer neuer Räume wurde im Alter von sieben Wochen. Filou war ein kleiner Schelm und Coco ein Sonnenschein, der mit jedem Tag seines Lebens stärker zu strahlen schien. Unvergessen bleibt uns auch die einzigartige Ronja, die alle ihre sechs Schwestern (aus Nalas zweitem Wurf) unter ihre Kontrolle brachte, wenn ihr der Sinn danach stand und Una, die stets am lautesten geweint hat, wenn sie nicht bekam, was sie wollte.

Doch wie kommen diese Namen zustande? Sie fallen nicht vom Himmel, sondern sie finden sich mit der Zeit. Unter Ambras Geschwistern hatte Coco als Erstes seinen Namen. Coco ist zu einem blonden Goldendoodle heran gewachsen, der ab dem Tag seiner Geburt meinen großen Sohn und mich mit seinem Strahlen von innen gefesselt hatte. Coco hatte von vornherein den stärksten Bezug zu uns Menschen, stellte sich beim Säugen manchmal etwas paddelig an und fiel nicht selten vom Geschwisterberg herunter und kroch danach fiepsend im Kreis herum, bis er bei der Milchbar ankam just dann, wenn Nala beschloss, dass es genug war und sich erhob und ging. Coco zu beobachten war immer spannend. Und so kam er einfach irgendwann auf, der Name für diesen Welpen: Coco. Er passte, warum auch immer. Er war kurz, witzig, ein bißchen verspielt ohne schnörkelig oder angeberisch sein zu wollen, ebenso wie Coco es nach unserer Meinung war.

Bei Ambra war das mit der Namensfindung ein bißchen anders. Auch Ambra fiel uns schon wenige Tage nach der Geburt auf. Aber nicht durch ihre Fellfarbe, sondern vielmehr durch ihr Verhalten. Sie hatte dieses einzigartige beharrende Schieben an der mütterlichen Brust, das ihr stets einen Premiumplatz an der Milchbar einräumte, den sie niemals verlor, wenn sie nicht fertig war mit Trinken und gesättigt einfach liegen blieb, wo sie war ohne Rücksicht darauf, dass sie einen Platz an der Milchbar blockierte. Um Ambra nach der Geburt zu erkennen, mussten wir sie von Coco unterscheiden. Denn es gab zwei „blonde“ Welpen unmittelbar nach der Geburt. Coco und “die Andere, die so schubst und drängelt”. Direkt nach der Geburt waren die Fellfarben von Coco und Ambra noch identisch, erst in der fünften Lebenswoche hat Ambra angefangen eine deutlich dunklere Farbe als Coco zu entwickeln.

Ambras Schiebe- und Beharrtechnik beim Säugen war einzigartig in meinen Augen. In drei Würfen habe ich nie zuvor einen Hund beobachtet, der so resolut und ruhig beim Säugen ist und bleibt wie Ambra. Zu keiner Zeit habe ich beobachten können, dass Ambra es zuließ von der mütterlichen Zitze im allgemeinen Schieben und Schubsen des Geschwisterverbands weggedrängt zu werden von der Position, die sie innehatte. Es ist allgemein üblich, dass Welpen in einer Art beständigendem Rotationsverfahren einander von der mütterlichen Brust verdrängen, dann wieder zurück pendeln und dann jemand anderen wegdrängen (oder eine noch freie Zitze finden) und dann wieder andocken an der Milchbar der Mutter. Es gehört somit zum normalen Welpenverhalten dazu, dass sie einander schieben und schubsen solange bis sie am Ziel, einer nährenden Zitze, sind. Jeder Welpe entwickelt in diesem Rotationsverfahren dabei seine eigene Strategie, die viel aussagt über die persönlichen Ressourcen, aus denen sich das spätere Verhalten des Hundes speisen wird.
Deshalb ist zum Einen die zurückhaltende Beobachtung der neugeborenen Welpen eine wichtige Aufgabe, die dem Züchter zufällt, um die heranwachsenden Persönlichkeiten auf vier Pfoten in ihrer Einzigartigkeit kennen zu lernen und ihren neuen Familien vorzustellen. Ich fotografiere die Welpen alle 2-3 Tage beim Säugen und kommentiere die Fotostrecken sodass eben diese einzigartigen Ressourcen und Entwicklungen frühzeitig von den Adoptionsfamilien miterlebt werden können.

Die Erfahrungen, Verhaltensweisen und Assoziationen, die sich in den ersten acht Wochen an der mütterlichen Brust und im Geschwisterverbund entwickeln „prägen“ den Welpen ein Leben lang und sind unabdingbare Grundlage für angemessene Affektregulation, späteres Sozialverhalten und die Fähigkeit sich ein Hundeleben lang selbst zur Ruhe bringen zu können (diese Fähigkeit ist eine der wichtigsten, die spätere „neurotische“ Hunde von Hunden unterscheidet, deren Affekte und Impulse als „angemessen“ bezeichnet werden können). Das züchterliche Verhalten innerhalb der ersten acht Wochen nach der Geburt (und genau genommen auch schon vor der Geburt der Welpen) ist daher das wichtigste Fundament, was ein Züchter den Welpen “sicher stellen kann” (er kann es ihnen nicht geben, er kann es ihnen nur ermöglichen durch Zurückhaltung und Sicherstellung eines ruhigen und friedlichen Aufwachsens im Welpenverbund).

Der Einfluss der Mutterhündin, des Umfelds und der züchterischen Arbeit, die in dieser Phase aus der wichtigen Tätigkeit “Zurückhaltung” bestehen sind die wichtigsten, weil unwiderbringlichen Erfolgsfaktoren für die Entwicklung des Welpen. Der Züchter arbeitet am Besten, wenn er sich in der Zeit vor und nach der Geburt soweit irgend möglich zurück hält und die Welpen so wenig wie möglich berührt, hochhebt oder stört. Das gleiche gilt für Interessenten und Bewerber für die spätere Adoption der Welpen.
Die Welpen müssen in der sensiblen Phase nach der Geburt nur eines lernen, was sie fürs Leben brauchen: Ich bekomme fressen (das, was ich brauche), ich kann mich selber zur Ruhe bringen, ich bin stets im Frieden, beschützt und umsorgt mit allem, was ich zum Leben brauche . Ich bekomme genug von dem, was ich brauche, auch wenn es vielleicht einmal (in einer mütterlichen Fütterung an der Brust) zu wenig ist, werde ich spätestens beim näüchsten Mal mit allem versorgt was ich brauche. Ich muss mich zwar um mein Essen bemühen und das tue ich auch mit meiner mir eigenen Strategie (Pendeln, Drängeln, Schieben, Schubsen, Abwarten, Ausharren), doch es gibt nichts, was ich wirklich zu fürchten brauche (niemand tut mir weh, das Verhalten der mich umgebenden Geschwister ist meinem vergleichbar und stets angemessen und meine Mutter mit mir immer friedlich). Ach ja: Und dieses Ungetüm, das ich in der Nähe stets rieche (der Mensch) und irgendwann sogar schemenhaft wahrnehme ist einfach da, es ist da und es gehört zum Leben dazu. Manchmal ist es nicht nur ein, sondern es sind mehrere von diesen Dingern auf zwei Beinen mit dem ihnen zugehörenden Geruch und Geräuschkulisse und sie gehören dazu wie das Bett in dem ich liege und die wärmende Höhle, die mich umgibt.

Und wenn ich getrunken habe, meine Mutter mich von Kacka und Pipi gesäubert hat, dann geht es mir gut und ich komme zur Ruhe. Ich fange sogar irgendwann an zu entdecken, dass die mich umgebenden Knäuel, die mich von der mütterlichen Brust wegdrängen von Zeit zu Zeit, mehr sind als nur Konkurrenten. Sie sind wie ich und ich kann sie anfassen, mich an ihnen wärmen und mit ihnen spielen. Und dann, nach nur einigen Tapsern wird alle schwer, ich werde müde und schlafe ein. In diesem Rhythmus geht es alle vier Stunden zu in den Wochen nach der Geburt der Welpen. Diesem “Wunder” Zeit und Raum zu lassen ohne irgendwie in dieser Zeit mit den Welpen zu interagieren ist die Aufgabe eines guten und verantwortungsbewussten Züchters.
Strategie ist Persönlichkeit und lebenslange Ressource
Die meisten Welpen verfeinern ihre Suchstrategien, ihre Schubs- und Drängeltaktik im Laufe der Wochen, manche fallen mit stets tragischem Gepienze ab von der mütterlichen Brust und drängen unter ständigem unüberhöbarem Weinen erneut in die Meute hinein, andere ertragen ihr Leid still und geduldig und wieder andere – wie Ambra leiden einfach gar nicht unter dem Purzeln, sondern sind standfest und unverrückbar.

Eine Retrospektive: Ambra an der Brust ihrer Mutter
Obwohl ich meine Welpen (im angemessenen Abstand) von der Geburt an beobachte habe ich Ambra nur ein oder zwei mal über den Welpenberg purzeln sehen. Ihren Bruder Coco hingegen fast ständig. Ambra war entweder sofort angedockt bei Ankunft der Mutter oder sie harrte still, ohne ungeduldig zu werden mit einer gewissen „Schubkraft“ hinter dem vor ihr trinkenden Bruder und wartete auf “ihren” Moment – zeigte der säugende Bruder auch nur einen Anflug an Schwäche in seiner Standhaftigkeit schob sich Ambra lokomotivartig nach vorne und war angedockt – bums – und trank bis sie gesättigt war und niemand konnte sie wegdrängen, wenn sie nicht fertig war mit Nahrungsaufnahme.

Mir kam während der Beobachtung von Ambra öfter der Gedanke: Mit diesem Welpen fängt alles an, sie steht am Anfang der Kette und vor ihr steht keiner, wenn sie das nicht will. Da fiel mir der Name “Prima” ein (Lateinisch „die Erste“). Aber nein, der passte irgendwie nicht. Una? Hatten wir schon im Letzten Wurf und fühlte sich falsch an, da sie zwar fokussiert war auf das, was sie wollte aber nicht laut oder hysterisch war, wenn sie nicht bekam, was sie wollte (was die Hündin Una aus Nalas zweitem Wurf sehr wohl gewesen war). Es brauchte ein stilleres “zeichen” für ihre Klarheit, einen anderen Namen.

Das A steht an erster Stelle ohne sich aufzudrängen. Ein Name mit “a” könnte passen. Diese Hündin ist bernsteinfarben. Das ist ein “b”, aber Amber ist der Bernstein auf englisch. Amber? Nein, keine Anglizismen. Ambra! Da war er. Zweimal “a”, weiblich und unaufdringlich – eben wie “Ambra” es war. Der Name, der anfing und aufhörte mit A passte zu dieser einzigartigen Schönheit von der ich dachte sie würde uns mit „Dominanz“ und Führungswillen beehren, doch es kam anders.

Ambra zeigte sich während ihrer Ausbildung zum Therapiehund nicht als dominante oder führungswillige Hündin, sondern sie entwickelte sich wider Erwarten zum perfekten “Spiegel”. Ambra zeigte, dass sie mit jedem Menschen (und Hund) in die genau angemessene Resonanz gehen kann. Das war unerwartet, da ich Ambra als viel resilienter und auf sich selbst bezogener eingeschätzt hatte. Doch man könnfte fast sagen, dass das Gegenteil der Fall war. Ambra ist auf der einen Seite so wie sie ist: Ruhig, ausgeglichen, freundlich und zugewandt. Auf der anderen Seite spiegelt sie genau die Gefühle, die ihr begegnen in genau dem Maß, wie ihr Gegenüber sie aussendet. Sieht sie einen verspannt gehenden Artgenossen (der widerum selbst den Druck spiegelt, den seine Halter auf ihn ausüben), verspannt sie sich selbst und wird steif und fühlt sich unwohl in ihrer Haut. Begegnt ihr ein schimpfender Zweibeiner, schimpft auch sie und fühlt sich agitiert von des Menschen lautem Gebahren.

Neben der Fähigkeit zum Spiegel hat Ambra ihre innere Ruhe, dieses „sie ist wie sie ist“ – damit ist gemeint, dass Ambra genau weiß, was sie wann und wo wie will und das ruhig und ohne Firlefanz deutlich macht. Will Ambra in meine Nähe, setzt sie sich auf meine Füße – besteht die Möglichkeit dazu auch in oder auf meinen Schoß. Sobald ich, mein Mann oder die Kinder auf dem Boden sitzen oder liegen ist Ambra nicht nur bei uns um die Gelegenheit zur körperlichen Nähe zu nutzen und schiebt sich uns mit derselben Vehemenz in oder auf uns wie sie es damals als Welpe an der mütterlichen Brust getan hat, in den Schoß.

Heute ist Ambra 2 1/2 Jahre alt und sie hat immer noch viel von dieser zugewandten Art sich “in die Nähe zu bringen”. Auf der anderen Seite hat sie, wie jeder Hund mit dem Erreichen des Erwachsenenalters ihre übermütig pubertierenden Hörner gegen angepasste “Hörnchen” getauscht. Heute können meine Kinder sie davon überzeugen, dass sie doch bitte woanders hingeht, wenn sich Ambra (mal wieder) auf ihre Kuschelkissen legt, die sie (trotz meiner wiederholten Bitte die Kissen nicht auf den Boden zu legen) einladend auf dem Fußboden ausgebreitet haben.

So kam Ambra zu ihrem Namen. Ihre anderen Brüder Caspar, Mogli, Indie und Filou haben ebenfalls jeder den zu ihnen passenden Namen von (bei) uns bekommen und tragen ihren Namen bis heute. Keine der Familien hat ihren Welpen bei sich umbenannt. Es hätte auch nicht gepasst, da der Name Teil der Geschichte ist, die der Welpe zu seiner Familie mitbringt.

Alle Familien fiebern spätestens ab der Geburt der Welpen zusammen mit uns mit und sind durch den Blog, den ich auf dieser Seite führe täglich mit uns „verbunden“. Ich poste tagesaktuell (oder spätenstens alle 2-3 Tage) Bilder der Welpen und veröffentliche Berichte und Geschichten der Welpen. Alle wichtigen Entwicklungsmeilensteine (Öffnen der Augen, erste soziale Interaktionen, erste Erkundungsgänge, etc.) teile ich virtuell mit Ihnen und allen, die mit den Welpen mit(er)leben wollen. So bilden sich früh schon Beziehungen und Bindungen aus zwischen den Menschen, obwohl noch keine echte physische Begegnung stattgefunden hat zwischen Ihnen und den noch kleinen Wesen auf anfangs vier rudernd sich fortbewegenden Beinchen.