Beziehung

Es mag auf den ersten Blick überraschend wirken warum ein ganzer Bereich dem Menschen gewidmet wird. Steht bei pfotenpartner nicht der Hund im Vordergrund? Ist das hier nicht eine Hundeschule an die man sich wendet, um seinen Hund besser zu verstehen oder zu lernen ihn in die gewünschte Richtung zu erziehen? Kurze Antwort: Nein, ist es nicht. Bei pfotenpartner steht nicht der Hund im Vordergrund. Bei pfotenpartner steht die Beziehung im Vordergrund.

Somit steht das Anspruchsvollste im Vordergrund, was es überhaupt gibt für jedes soziale Wesen: Die Beziehung. Wie entstehen gelingende Beziehungen? Was sind Eigenschaften von Beziehungen, die für beide (oder alle) Partner innerhalb einer Beziehung bereichernd sind, aus? Gibt es allgemein gültige Kriterien oder ist es hoch individuell was gute Partnerschaft ausmacht? Ich habe in den über 10 Jahren, die ich eine Hundeschule und Hundetagesstätte betrieben habe gelernt, dass unsere Gesellschaft einen großen Irrweg bestreit im Umgang mit ihren Hunden.

Hundehalter werden dazu angehalten der Rudelführer zu sein. Damit wird der Glaube propagiert, dass zu einer gelingenden Beziehung zwischen Mensch und Hund der Mensch den Hund ständig zu dominieren habe. Auch ich habe das in meiner Hundeschule einige Jahre lang gelehrt. Es war ein gutes Geld-Verdien-Modell, da ich eine geborene Führungspersönlichkeit und natürliche Autorität bin gegenüber Hunden und Menschen. Mir fiel es leicht einen Hund zu nehmen, vorzuführen wie man den Hund zu „handhaben“ habe und durch den geschickten Dreiklang aus

– Dominanzgesten
– positive Verstärkung (Leckerchen)
– Zwang (Leine am Halsband/Geschirr/Kopfhalfter)

konnte ich fast jeden Hund dazu bringen freudig mit mir zu kooperieren. Es sah super aus, wenn ich das gemacht habe. Prima. Ich konnte also Hunde gut anleiten, führen und motivieren. Meine Kunden konnten es nicht. Ein Großteil meiner Kunden hat nie gelernt auch nur annähernd so eine gute Führungspersönlichkeit zu sein, wie ich das war. Einigen wenigen gelang es sofort. Diejenigen, denen es gelang waren genauso wie ich Persönlichkeiten mit einer Stärke zur Führung (charismatische Führungspersönlichkeiten). Sie imitierten einfach was sie bei mir sahen, erlernten die Technik der positiven Verstärkung des effizienten Einsatzes des Zwangmittels Leine und verließen die Hundeschule zufrieden und gut aufgestellt.

Nur 10% aller Menschen haben eine charismatische Persönlichkeit, die gerne eine ihr gebotene Führungsrolle annehmen. Die restlichen 90% fühlen sich wohler, wenn sie ihre sozialen Rollen ohne Führungsverantwortung gestalten können. Sie beobachten gerne, passen sich an und versuchen dem Konflikt auszuweichen. Sie fühlen sich kohärent, mit der Welt im Einklang, wenn sie anderen die Gestaltungshoheit überlassen und dann durch Zuarbeit oder Kooperation zum Erfolg beitragen.

Es gab Zeiten in denen von Männern verlangt wurde ihre Frau zu „dominieren“. Der Mann allein war Träger von Rechten und gab der Familie, auch seiner ihm untergeordneten Frau, Werte und Normen vor. Allerdings ist fraglich, ob das jemals so allumfassend funktioniert hat. Mit Sicherheit ist es historisch korrekt zu sagen, dass es Frauen bis vor wenigen Jahrzehnten an gleichen Rechten fehlte. Andererseits gab es schon immer Männer „die unter dem Pantoffel“ standen. Nicht jeder Mann war glücklich damit seine Frau „dominieren“ zu müssen.

Heutzutage ist es selbstverstädnlich, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind. Diese formale Gleichstellung mussten die Frauen sich hart erkämpfen. Heutzutage ist es selbstverständlich, dass Hunde dem Menschen untergeordnet sind. Ein Hund ist Eigentum seines Menschen, also Leibeigener. Ihm werden Schutzrechte nach dem TierSchG zugestanden. Juristisch wird er als Sache behandelt. Zu all dieser strukturell vorhandenen Unterordnung des Hundes gesellt sich nun die Forderung danach Hunde haben untergeordnet zu werden von ihrem Menschen.

Viele Menschen fühlen sich mit der Anforderung ihren Hund führen zu müssen unwohl. Kaum einer wird das tatsächlich eingestehen – wir Menschen sind nicht sehr gut darin unsere Schwächen einzugestehen. Wir signalisieren nach außen hin lieber Stärke, was allzu oft dazu führt, dass Menschen, die an dem Verhalten ihres Hundes in der Öffentlichkeit verzweifeln zu disziplinierenden Maßnahmen greifen, um nach außen hin Stärke zu symbolisieren.

Was aber spricht dagegen Hunde als gleichberechtigte Partner anzusehen? Nach meiner Beobachtung: Nichts. Die mehrjährige Beobachtung der sich ständig verändernden Rudelstruktur in unserer Huta hat mich gelehrt, dass Hunde keinesfalls ständig die Über-/Unterordnung suchen. Bei Konkurrenz um dieselbe Ressource kommt es zum Konflikt zwischen zwei Hunden. Im Konfliktfall ist der einfachste Lösungsweg, dass ein Hund über ranganmaßende Gesten seinen Anspruch aufgrund einer sozialen Stellung einfordert. Ein Hund zeigt also seine Überordnung, bzw. ein anderer Hund bietet frühzeitig durch Demutsgesten seine Unterordnung an und signalisiert trotz Interesse an einer Ressource, dass er sich unterordnet und dem anderen die Ressource nicht streitig machen wird.*
Sollte es hier nicht um Menschen gehen? Ja, es geht um den Menschen. Ich breche eine Lanze dafür, dass der Mensch

nicht dominant

sein muss gegenüber seinem Hund.

Ich gehe mittlerweile sogar so weit zu sagen, dass es weder eine Notwendigkeit noch eine sinnvolle Begründung dafür gibt, dass ein Mensch seinem Hund gegenüber dominant sein sollte. Mensch und Hund können eine gute Beziehung miteinander haben auch wenn der Mensch keinerlei Dominanzanspruch hat. Mensch und Hund können erfüllte Beziehungen miteinander haben und der Hund teilt mit seinem Menschen das Bett, schläft auf dessen Sofa und der Hund ist eventuell sogar derjenige, der dem Menschen einen Lebensrhythmus auferlegt und beide profitieren in so einer Beziehung.

Kurz gefasst: Der Mensch hat das Recht einen Hund zu halten ohne ihn dominieren zu müssen. Der Mensch hat das Recht mit seinem Hund eine gleichwertige Beziehung führen zu wollen und von den Talenten und Ressourcen seines Hundes profitieren zu dürfen. Der Mensch hat das Recht, seiner Lebens- und Wohnsituation entsprechend die Umgangsformen und Lebensstrukturen mit seinem Hund gemeinsam zu verhandeln ohne sich dabei an Normen und Werten von außen orientieren zu müssen. Solange der Hund Hund sein darf und der Mensch Mensch sein darf, sind Mensch und Hund frei darin ihre Beziehung individuell und einzigartig zu gestalten. Ganz so wie jedes Paar und jede Familie ihre Strukturen, Werte und Normen selbst für sich festlegt und miteinander verhandelt.

*Derartige Situationen stellen 95% der Konfliktsituationen zwischen zwei emotional und körperlich intakten und angemessen kommunizierenden Hunden dar. Es gibt auch Konfliktsituationen in denen ein Hund seine Unterordnung signalisiert, gleichzeitig jedoch die Ressource für sich beansprucht. Das kommt sehr selten vor. Sofern es überhaupt vorkommt, betrifft es fast immer die Ressource Futter oder Fortpflanzungspartner. Der submissive Hund will eigentlich dem Konflikt ausweichen und durch seine Demut deeskalieren, gleichzeitig ist sein Bedürfnis so stark, dass er sich nicht einfach zurück nehmen kann. So etwas kann vorkommen, wenn ein Hund extremen Hunger verspürt oder zwei sexuell extrem erregte Hunde (m/w) aufeinander treffen.